Alpenradtour 2001 Tagebuch

Tag 1: 27.3.2001 Singen-Simmerberg

Tagesstrecke116,46 km
Gesamtkilometer116,46 km
Fahrzeit5:55:29 h
Durchschnitt19,6 km/h
Maximum48 km/h
Aufstieg1181 m
Abstieg977 m
Minimale Höhe381 m
Maximale Höhe856 m

Ereignisse

Erste Heldentat nach der für unsere Verhältnisse ausgesprochen pünktlichen Abfahrt war das Abfahrtsfoto, diesmal an einem kreativ neuen Ort. Die weitere Fahrt entlang des Bodensees verlief flach, recht langweilig (wie oft denn noch? :), bewölkt und bis auf den üblichen Härtetest hinter Güttingen recht ereignislos. Allerdings haben wir den Fehler gemacht und zu lange nichts gegessen, so dass wir völlig ausgehungert in Meersburg ankamen- wo alle Supermärkte in der Oberstadt waren, und das war uns zu weit. Na gut, dann eben Corny-Riegel, Äpfel und Brote. Geht auch. War aber ein bißchen kalt beim Essen.

Bis Lindau war's dann wirklich langweilig, danach wurde es aber unverhofft sonnig und interessant. Auf einem kleiner Abstecher nach Österreich entschieden wir uns, einen auf der Karte als "Nebenstrasse" ziemlich serpentinig eingezeichneten Weg als Abkürzung zu nehmen- und was für eine Abkürzung das war! Himmel ARSCH! Da ging's hoch wie die Hölle, und oben angekommen waren wir total am Ende, durchgeschwitzt und fertig. Nach einer nötigen Umzieh-Aktion fuhren wir bis Scheidegg und kauften dort das Nötigste zum Abendessen, um wenige Viertelstunden später irgendwo bei Simmerberg den Plan zu verwerfen, noch bis Oberstaufen zu fahren. Statt dessen fanden wir bei mittlerweile richtig gutem Wetter neben einer Kleingartenanlage Gottes Zeltplatz: relativ eben, ein Weg daneben, mit dem Segen der Anwohner- Herz was willst du mehr? Nach dem Abendessen ging es dann dank der Kälte recht flott ins Bett.

Tag 2: 28.3.2001 Simmerberg-Reutte

Tagesstrecke88,13 km
Gesamtkilometer204,59 km
Fahrzeit4:16:23 h
Durchschnitt20,6 km/h
Maximum46 km/h
Aufstieg999 m
Abstieg987 m
Minimale Höhe714 m
Maximale Höhe1185 m

Ereignisse

Richtig mit Sonne und gutem Wetter aufzustehen hat echt was. Da trocknet das Zelt richtig flott, und auch der Rollkragenpulli, den ich auf dem Zaun der Kleingärtner vergessen habe, war bestimmt nach fünf Minuten trocken. Aber mittlerweile ist er vermutlich schon dreizehnmal wieder nassgeregnet und total verschrumpelt auf einem Komposthaufen gelandet. Gott habe ihn selig.

Das Allgäu macht zum Radfahren wenig Spaß, denn es geht immer eklig-klein hoch und danach nochmal eklig-klein runter und danach wieder hoch und auch wieder runter und... aber hinter Oberstaufen hatte es sich damit zum Glück, da wurde es eben und wir bekamen Rückenwind. In Sonthofen im McDonald's ließen wir einige braune Grüße zurück (was ein Genuss, Klos mit Popmusik-Beschallung und echtem Klopapier!), bevor wir uns auf den Weg zum Oberjoch machten. Am Fuße desselben angelangt, traf uns erstmal Petrus' Unwille, es fing an zu regnen, hörte aber glücklicherweise binnen einer halben Stunde auch wieder auf, und wir widmeten uns genüsslich unserem ersten Über-Eintausend-Meter-Berg. Im Vergleich zu dem Killer von gestern war der richtig harmlos, so dass wir oben auch noch Zeit für ein Pläuschchen mit der Frau hatten, die das hübsche Foto von uns gemacht hat. (Ihr Mann will evtl. eine Stelle in Singen annehmen, und da wollte sie alles über unsere Heimat wissen.) Ein paar letzte Höhenmeter bis zur österreichischen Grenze, mit leidlichem Gegenwind durch's Tannheimer Tal, den Gaichtpass runter zum nächsten Supermarkt. In Reutte wollten wir dann übernachten, aber -schockschwerenot- vor dem nächsten Berg gab's keine Wiese mehr. Dafür hatte der Campingplatz offen. Na, auch gut, für teure Duschmarken mal wieder warm duschen, auch ned schlecht.

Insider: "Scully, es ist wirklich Möhrensalat im Pissoir!"

Tag 3: 29.3.2001 Reutte-Tösens

Tagesstrecke88,32 km
Gesamtkilometer292,91 km
Fahrzeit4:37:27 h
Durchschnitt19,1 km/h
Maximum46 km/h
Aufstieg1072 m
Abstieg859 m
Minimale Höhe770 m
Maximale Höhe1231 m

Ereignisse

Von dem Campingplatz-Typen haben wir uns kräftig abrippen lassen: Ganze 40 Mark wollte der für die poplige Nacht, aber mein Gott. Weitere Freude wartete unmittelbar hinter Reutte: Über den (viel befahrenen!) Engpass ging es in ein Tal, das auf die Zugspitze zuführte. Die wiederum machte ihrem Namen alle Ehre, zugig war's wie Sau, das legte sich dann Richtung Fernpass aber zum Glück zusehends. Dort war's dann nur noch sonnig, schön und warm, und das Panorama entschädigte für manche Strapaze, insbesondere der zugefrorene See sah ziemlich cool aus.

Vom Fernpass runter kann man dann bis auf einen kleinen, aber gemeinen Runter-Dopser bei Imst relativ gemütlich bei leidlich viel Verkehr bis Landeck ausrollen lassen. Ab dort begleitete uns eine 500g-Dose Parmesan (Familien-Jahrespackung!), die die Radtour nicht überleben sollte. Wenn man schließlich nichts anderes als Pasta isst, dann wenigstens mit Stil! In Landeck erfuhr Andi via Telefon, dass er *die* Vordiploms-Matheklausur bestanden hatte und versprach leichtsinnig einen netten Abend in einer Pizzeria zu schmeißen... Hinter Landeck machten sich erstmals die körperlichen Leiden bemerkbar, man wird nicht jünger: das ein oder andere Knie tat weh, die Kälte nervte, aber mein Gott, dass wir bis in die Gegend des Reschenpasses vorgedrungen waren, konnte vorübergehend darüber hinwegtäuschen, dass das Wetter gar nicht mehr gut aussah. Ein Zeltplatz auf einer Wiese, von der ein Teil offenbar vor einiger Zeit den angrenzenden Abhang heruntergerutscht war, ein Abendessen bei recht ordentlichem Wind und einsetzendem Regen, in dessen Verlauf eine von unseren zwei Taschenlampen aufgab, bestärkte uns in dem Eindruck, dass das, was wir da taten, unserer Gesundheit vermutlich eher schaden denn nützen würde...

Tag 4: 30.3.2001 Tösens-Zernez

Tagesstrecke68,52 km
Gesamtkilometer361,43 km
Fahrzeit3:32:52 h
Durchschnitt18,3 km/h
Maximum42 km/h
Aufstieg810 m
Abstieg470 m
Minimale Höhe884 m
Maximale Höhe1438 m

Ereignisse

Was sich schon abends ankündigte, nämlich starker Regen, das setzte sich am nächsten Morgen in der nächstschlimmeren Stufe fort: Schneefall! So verbrachten wir den Vormittag in Zelt und Schlafsack, aßen, was noch an essbarem herumlag, lauschten den lächerlichen Spots von Joe Soletti auf Hitradio Ö3, rätselten über das Wetter und hatten tatsächlich ein bißchen Freizeit!

Gegen Mittag wurde der Regen weniger, und wir wagten den Aufbruch. Zelt und Planen waren zwar nicht richtig trocken, aber wen juckt's... Wir erreichten die Schweizer Grenze, die gleichzeitig den Eingang zum Engadin und damit den Beginn des langsamen (aber dafür stetigen) Anstiegs zum Bernina-Pass markiert. Ein Zöllner dort ließ uns wissen, was er von unserem Vorhaben hielt, und das war offenbar nicht besonders viel. Immerhin verdankten wir ihm den Hinweis, dass auf dem Berninapass wohl noch Schneeketten obligatorisch seien. Ermutigend. Trotzdem machten wir uns auf den Weg und hofften, möglichst bald in einem Supermarkt einige Lebensmittel kaufen zu können. Supermärkte? Im Engadin? So musste dann kurz hinter Schuls unser bis dahin treuester Freund dran glauben, eine Packung Schwarzbrot, die wir in Scheidegg gekauft hatten. Mit wenig gestilltem Hunger fuhren wir weiter bis Zernez, wo wir (UNGLAUBLICH!) einen Supermarkt und einen Bankomaten fanden. Letzterer verschaffte uns zwar das nötige Kleingeld, aber ersterer war dafür bei unserer Ankunft seit 15 Minuten geschlossen. An einem Fluss fanden wir einen Zeltplatz, der war aber wie vieles im Ort wohl gerade in Winterstarre gefallen. Das juckte uns wenig, wir haben uns troztdem auf der Wiese breitgemacht. Nachdem wir von dem, was wir noch dabei hatten, nämlich Nudeln mit Parmesankäse, nicht wirklich satt wurden, entschlossen wir uns, Andis Pizzeria-Abend gleich hier und jetzt auf den Kopf zu hauen, die passende Nobel-Pizzeria (Sonderangebot: Pizza Gorgonzola für 16 Franken!) war schnell gefunden. Und der Schnaps nach dem Essen war wirklich lecker! (mit Beeren drin zum Auslöffeln!)

Tag 5: 31.3.2001 Zernez-Tirano

Tagesstrecke80,99 km
Gesamtkilometer442,42 km
Fahrzeit4:06:00 h
Durchschnitt19,7 km/h
Maximum50 km/h
Aufstieg892 m
Abstieg2473 m
Minimale Höhe386 m
Maximale Höhe2336 m

Ereignisse

Der nächste Tag hielt, was er versprach. Nach Einkauf im Coop sausten wir mit Rückenwind das tiefverschneite, sonnige und ausgesprochen malerische Oberengadin hinauf und waren in nullkommanix in St. Moritz, und nur wenige Nullkommanixe später auch oben auf dem Bernina. (Naja, es geht schon ziemlich lange hoch da. Aber das hat wirklich Spaß gemacht, vor allem angesichts der ungläubigen Blicke von Snowboardern und Skifahrern von den Pisten neben der Straße :-)

Oben war's ein wenig glatt, und in der ersten Kurve hat's mich dann auch gleich auf die Nase gelegt. Macht aber nix, is ja nix passiert. Und im Anschluss daran 2000 Höhenmeter zu vernichten ist einfach ein Spaß, der wirklich mit wenig zu vergleichen ist. Am Ende des Passes ist man dann in Italien! Erst mal Geld holen, schnell noch ein paar Sachen einkaufen, Zeltplatz suchen. Zu diesem Zweck Einverständnisse von Bauern einzuholen, die einen nicht verstehen, ist spaßig, insgesamt aber ziemlich sinnlos. Es juckt eh keinen, wo man campt. An diesem Abend ist noch unser Kocher explodiert.

Tag 6: 1.4.2001 Tirano-Riva/Iseosee

Tagesstrecke95,15 km
Gesamtkilometer537,57 km
Fahrzeit4:52:54 h
Durchschnitt19,4 km/h
Maximum44 km/h
Aufstieg824 m
Abstieg1023 m
Minimale Höhe115 m
Maximale Höhe1128 m

Ereignisse

Bei prima Wetter rauf auf den Apricapass, runter bis Edolo, mit Gegenwind bei diesigem Wetter und eklig viel Verkehr runter bis an den Iseosee, dort für die wirklich eklige Strapaze in einem McDo üppig entschädigt worden. Eingekauft, Campingplatz direkt am Iseosee gefunden. Der letzte Teil der Fahrt am See entlang war nicht zuletzt wegen der abwechslungsreichen Landschaft wieder spaßig. Angesichts der Wetterlage aber sahen wir uns schon am nächsten Tag in einen Zug steigen und nach Hause fahren.

Abends hatten wir noch Besuch von einer dicken Kröte, die es sich in unserem Vorzelt bequem gemacht hatte. Ich hab voll reingelangt - bäääh!

Tag 7: 2.4.2001 Riva/Iseosee-Sant Angelo

Tagesstrecke107,33 km
Gesamtkilometer644,90 km
Fahrzeit4:39:08 h
Durchschnitt23,0 km/h
Maximum33 km/h
Aufstieg195 m
Abstieg323 m
Minimale Höhe62 m
Maximale Höhe216 m

Ereignisse

Zur Abfahrt am Iseosee hatten wir nochmal kräftig Gegenwind, sozusagen zum Abschied von den Alpen. Richtung Po-Ebene hat sich der aber recht flott gelegt und wir konnten das sonnige Wetter richtig genießen. Mit grob 27 Sachen flogen Häuser und Dörfer nur so vorbei, und als wir nach zwei Montags-genau-dann-wenn-wir-kommen-geschlossen Supermärkten auch noch einen offenen fanden, waren wir wirklich bester Laune. Und der Verkehr? Naja, es ist halt Italien :-) Gecampt haben wir in der Nacht irgendwo auf einem Acker hinter Lodi, und dieser Acker hat sich nicht wirklich die Mühe gemacht, für uns extra eben zu werden. So haben wir uns denn auf der ergonomisch geformten Ackeroberfläche ein halbwegs bequemes Plätzchen gesucht. (Aber nicht gefunden.) Bleibt noch zu sagen, dass die Ackerhügel nicht die einzigen Hügel unter Andis Schlafsack waren...

Tag 8: 3.4.2001 Sant Angelo-Ronco Scrivia

Tagesstrecke112,37 km
Gesamtkilometer757,27 km
Fahrzeit5:19:58 h
Durchschnitt21,0 km/h
Maximum34 km/h
Aufstieg462 m
Abstieg252 m
Minimale Höhe53 m
Maximale Höhe351 m

Ereignisse

Nach einem kräftigen Naturschiss aufgebrochen und irgendwann nach einem MacDo vor Voghera in den Gegenwind gekommen, der bis zum Ende des Tages nicht mehr aufhören sollte. Anstrengend war das. Dafür wurde die Landschaft wieder etwas interessanter, und gegen Ende sogar wieder etwas bergig. Auf unserer Karte stand, dass wir zum Abschluss wohl nochmal auf 770 Meter zum Passo dei Giovi hochmüssten. Was uns wunderte, denn als wir zum Abschluss des Tages in Ronco nach dem Großteil der Strecke laut GPS erst eine Höhe von 360 Metern erreicht hatten, befürchteten wir zunächst, das GPS sei kaputt, dann begannen wir uns vor dem nächsten Tag zu fürchten, und schließlich beschlossen wir, uns einfach überraschen zu lassen. Die Knie wollten eh nicht mehr ganz so, wie wir wollten, also machten wir halt auf einer ebenen grünen Wiese am Fluss. Lustigerweise war keine zweihundert Meter von unserem Zelt am Ufer ein Schild aufgestellt, das jeden, der sich darum kümmerte, vor den gefährlichen Säureeinleitungen in dieser Gegend warnte. Die Bauern schien das nicht zu jucken, also warum sollten wir uns darum kümmern?

Zu diesem Abendessen haben wir's uns noch richtig bequem gemacht: Wir haben das Radio geholt und noch eine ganze Zeit, auch noch nachher im Zelt, Drum'n Bass von Radio Baboleo gehört. Kann man echt gut zu einschlafen, und wenn Genua auch sonst nix zu bieten hat... Baboleo ist echt gut!

Tag 9: 4.4.2001 Ronco Scrivia-Genua-Singen

Tagesstrecke31,89 km
Gesamtkilometer789,26 km
Fahrzeit1:35:07 h
Durchschnitt20,1 km/h
Maximum44 km/h
Aufstieg219 m
Abstieg546 m
Minimale Höhe0 m
Maximale Höhe472 m

Ereignisse

Es stellte sich raus, dass der Passo dei Giovi, doch nur 472 Meter hoch war, was für ein Betrug. Aber macht nix, bei dem Wetter war uns das nur recht. 10 Kilometer hinter der Passhöhe begann es zu regnen. Also nix wie runter nach Genua, und rein in den Zug, und ab nach Hause. Lief wirklich prima, das einzige Problem war der Fahrkartenverkäufer, der mehr als zwei Anläufe brauchte, um uns die richtigen Fahrkarten zu verkaufen. Im Laufe der Zeit wurden sie immer billiger, einmal musste er uns sogar noch fast vom Bahnsteig zurückholen...

Die Rückfahrt selber hat prima geklappt, wir kamen mit einem Schweizer Zug direkt von Genua bis nach Arth-Goldau, und von da aus auch relativ unproblematisch nach Singen.